Kalju Mjatik

Kalju Mjatik (16. September 1932, Tartu – 2. Oktober 2019).

Ein Bürgeraktivist, politischer Häftling, Autor, Übersetzer, Mitbegründer der Nationalen Freiheitspartei Estlands, Mitglied des Bauernrates und des Tallinner Nationalistenklubs.

Kalju Mjatik wurde 1932 im südestnischen Tartu geboren. Er war acht Jahre alt, als Estland von der Sowjetunion besetzt wurde. Später erfuhr er über bolschewistische Verbrechen, darüber, dass sein Onkel von Kommunisten erschossen und sein Vater beinahe verhaftet worden war. Das führte dazu, dass er die Sowjetmacht ablehnte. 1951, nach der Absolvierung der Tallinner Mittelschule Nr. 10 wollte Kalju Mjatik an einer Flugschule studieren, scheiterte allerdings an der flugmedizinischer Kommission, denn er war zu groß, 3 cm oberhalb der Normgrenze. 1959 beendete er die Polytechnische Hochschule Tallinn, Fachrichtung Elektroingenieur, war danach Dozent an der Estnischen Marineakademie und Mathematiklehrer in Republikanischer Fernschule.

Damals bildeten sich in Estland erste illegale antisowjetische Organisationen. 1970 wurde Kalju Mjatik ein aktiver Teilnehmer an der Demokratischen Bewegung Estlands. Das von ihm vorbereitete Programm enthielt den Aufruf zur Volksabstimmung über die Selbstbestimmung Estlands und den Aufbau der Unabhängigkeit und einer demokratischen Ordnung im Lande. Die Demokratische Bewegung Estlands sowie die Partei "Volksfront" richteten 1972 ein Memorandum an die UNO-Vollversammlung, um der sowjetischen Propaganda Gegenpropaganda zu bieten. Dem Memorandum lag der Aufsatz von Мjatik und Juskewytsch "Russischer Kolonialismus in Estland" sowie die Synopse "Sowjets in Skizzen" zugrunde. Kalju Mjatik arbeitete am Text des Memorandums zusammen mit Tunne Kerlam und anderen Aktivisten weiter. Mindestens fünf ausländische Radiosender lasen damals den Text on air vor.

"Wegen Agitation und Propaganda gegen die Sowjets" wurde Kalju Mjatik 1974 verhaftet. Im Oktober 1975 fand die Gerichtsverhandlung statt. Neben Kalju Mjatik wurden noch vier andere Personen verurteilt, und zwar drei Personen – zu fünf Jahren Haft in einer Strafkolonie strenger Vollzugsart, Kalju Mjatik und ein estnischer Russe Sergej Soldatow – zu sechs Jahren. Ein Jahr mehr bekam Kalju Mjatik wegen des Waffenbesitzes: Er besaß drei Gewehre, die eher ins Museum als für Kamphandlungen passten, sowie einen halben Rucksack Munition.

In der Haft arbeitete Kalju Mjatik im Heizwerk, wohnte in Baracken, wo die Lufttemperatur 4 bis 6 Grad betrug, und stand immer wieder vor der Wahl: verdorbenen Fisch essen oder verhungern.

Nach der Freilassung blieb er noch lange unter der Aufsicht der KGB, lebte mit gewissen Sperrstunden, immer wieder dienstags sollte er sich bei der Polizei melden. Darüber hinaus durfte Kalju Mjatik keine Gaststätten besuchen, und sein Haus wurde ab und zu heimlich durchsucht.

Das hinderte ihn allerdings nicht daran, den Kampf für seine Ideale weiterzuführen. So beteiligte sich Kalju Mjatik an der Estnischen Gruppe für Aufdeckung des Hitler-Stalin-Pakts. Am 20. August 1988 wurde er zum Mitbegründer der Nationalen Freiheitspartei Estlands.

Nach der Wiederherstellung der estnischen Unabhängigkeit arbeitete er als Übersetzer und Lektor technischer Texte, trat dem Bauernrat bei. Bei den Europa-Wahlen 2009 kandidierte er zum Europäischen Parlament auf der Liste der Bauernversammlung, die allerdings die notwendige Stimmenzahl nicht erreichte. 

Kalju Mjatik kämpfte für die Unabhängigkeit – sowohl seine eigene, als auch die seines Landes. Als Teilnehmer zahlreicher Demonstrationen und Kundgebungen trat er mit seinen überzeugenden Reden gegen Estlands EU-Beitritt auf.

2006 wurde Kalju Mjatikо mit dem Orden des Staatswappens der IV. Klasse ausgezeichnet.

 
Kalju Mjatik

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Vorwort des Redaktors der Historische Wahrheit, Vakhtang Kipiani